Die räumlichen Dimensionen des Vierkanters

Der Begriff der Quadratmeter ist eine rein mathematische Größe. Er trifft keine Aussagen über die Qualität einer Fläche oder welche Nutzungen auf ihr möglich sind. Auf Grund eben dieser Abstraktion ist es uns oft schwer zu sagen, ob eine bestimmte Anzahl von Quadratmetern groß oder klein ist. Erst wenn wir Quadratmeter in ein Verhältnis zu Personen und Nutzungen stellen, wird uns der Raum bewusst.

Wir alle sind gewohnt mit Quadratmetern zu rechnen. Sei es nun beim Kauf eines Grundstückes, beim Berechnen der Wohnfläche oder bei diversen Ansuchen um Förderung, die Einheit der Quadratmeter stellt immer eine wesentliche Bezugsgröße dar. Die hier angestellten Berechnungen sollen dazu beitragen, den Raum hinter der Zahl besser spürbar zu machen. Wir wollen in wenigen Schritten zeigen, wie man auch beim Rechnen mit Einheiten ein Gefühl für die bezifferte Dimension bekommen kann. Zu diesem Zweck stellen wir Quadratmeter in jeweils unterschiedliche Relationen, seien es nun Nutzungen, Menschenmengen oder Einkommen.

Weiters wollen wir aufzeigen, dass für Bauvorhaben auch andere Dimensionen wesentlich sind. Individueller Raum wie Fähigkeiten, Werte, Ausbildung, Zeitraum und finanzieller Spielraum sind gemeinsam mit dem gebauten Raum die Grundlage für zukünftige Projekte. Erst wenn all diese Dimensionen erhoben und in die Planung eingebracht werden, kann auf die persönlichen Bedürfnisse eingegangen werden. Für die folgenden Berechnungen wurde ein Beispielhof herangezogen, sonstige Zahlen und Daten entstammen aus der oberösterreichischen Bauordnung, den Richtlinien für die Wohnbeihilfe des Landes OÖ sowie von der Agrarabteilung OÖ und der Landwirtschaftskammer OÖ.

Grundlagen

Fragestellung: Wenn ein Vierkanter insgesamt 3761 m² hat, wofür werden sie genutzt?
Das A und O einer guten Planung ist eine grundlegende Bestandserhebung. Untersucht wird dabei nicht nur die Menge an Raum, die zur Verfügung steht, sondern auch Nutzungen, Auslastung und Qualität der Räume. Anhand dieser Aufstellung können in der Folge inhaltliche Gewichtungen, notwendiger Platzbedarf für bestimmte Bereiche sowie Handlungsbedarf und Planungsspielraum ermittelt und festgelegt werden.



Flächenermittlung

Alle Räume im Bestand werden vermessen und mit einem Namen versehen in eine Liste eingetragen. Es ist hier zusätzlich möglich den Zustand und die Qualität der Räume festzuhalten, zum Beispiel heller Raum, solider Bodenaufbau, feuchte Wände, sanierungsbedürftige Decke, etc.

Zuordnung

Die Räume werden in einer Liste nach ihren Nutzungen sortiert und die Summe der Quadratmeter berechnet. Folgende Nutzungen sind dabei zu berücksichtigen: Wohnen, Urproduktion, Erwerbskombination, Leer- und Lagerflächen.

Legende Bestand  m²
Wohnhaus  731,10
Lebensmittel
Verarbeitung und Lagerung
 387,60
Tierhaltung  575,50
Lager und Stellflächen  1.236,70
Dachboden  543,20
Gewölbekeller  287,00
Gesamt  3.761,10
Tabelle: Flächenaufteilung im Vierkanter

Wohnen

Es ist grundsätzlich schwierig zu sagen, wie viel Platz man zum Wohnen brauchen darf. Hinter dem Begriff Wohnen verbergen sich zahlreiche unterschiedliche, individuelle Vorstellungen. Eines ist klar: Wohnen gehört zu den elementarsten Bereichen des Mensch-Seins. Jeder von uns wohnt auf die eine oder andere Art. Wesentlich ist, dass Wohnen nicht ersetzbar ist. Doch Wohnen ist nicht nur Schutz vor Wind und Wetter. Wir wollen mehr als nur ein Dach über dem Kopf. Einerseits soll uns die Wohnung die Möglichkeit des Rückzuges geben, um ganz privat sein zu können. Andererseits wiederum wollen wir durch unsere Wohnung unserer Umgebung (Nachbarn, Freunden, Verwandten,…) zeigen, wer wird sind, sie soll also auch soziale Aufgaben erfüllen. Beide Funktionen gilt es, auf einer bestimmten Anzahl von Quadratmetern zu vereinen.

In den letzten Jahrzehnten hat sich in unserer Gesellschaft ein starker Trend zu immer größeren Wohnungen entwickelt. Dies ist teilweise auf die immense Menge an täglichen Informationen und Einflüssen zurückzuführen, die in uns ein verstärktes Rückzugsbedürfnis erzeugen. Aber auch die Medien propagieren große freizügige Räume, besetzen sie mit Begriffen wie Individualität, Geborgenheit, Glück und Zufriedenheit und prägen damit unsere Empfindungen dessen, was wir denn so zum Leben brauchen. Doch letztendlich ist Wohnen ein teures Bedürfnis, nicht nur in der Errichtung, sondern auch in der Erhaltung. Die folgenden Rechenbeispiele regen dazu an, die eigene Wohnsituation anhand von verschiedenen Vergleichsgrößen zu überprüfen.

Vergleich verschiedener Wohnformen

Fragestellung: Wenn die Wohnfläche 731 m² beträgt, wie viele Einheiten der unten angeführten Wohnformen hätten jeweils darin Platz?

Das durchschnittliche Verhältnis der verschiedensten Wohnvarianten stellen Mag. Vitus Lenz und Mag. Veronika Müller durch folgende Abbildung dar:




Ermittlung des Wohnflächenbedarfs

Reduziert man Wohnen auf ein Minimum, so braucht es einen Platz zum Kochen, einen Platz für die Hygiene und einen Platz zum Aufhalten und Schlafen. Alles darüber hinaus stellt nicht mehr eine biologische Notwendigkeit dar, sondern ist eine Frage des individuellen Rückzugs und Repräsentationsbedürfnisses.

Auf wie viel Quadratmeter jemand wohnen möchte, ist daher eine sehr persönliche Entscheidung, die schwer normierbar ist. Leben mehrere Generationen auf dem Hof, so ist bei getrennten Haushalten jeder Haushalt gesondert zu berechnen. Für die Berechnung der Errichtungskosten bei einem Neubau werden sogenannte Kennwerte herangezogen, es handelt sich dabei um Erfahrungswerte aus dem Baugewerbe.

Da beim Bau eines Bauernhofes in der Regel die serielle Fertigung nicht zur Anwendung kommt, muss dafür von ca. € 1.800/m² ausgegangen werden. Die Baukostenannahme berücksichtigt nicht kostensenkende Maßnahmen sowie individuelle Situationen (Lage, Haustyp, Eigenleistungen…).


Produktion

Durch die starke Verknüpfung von Berufs- und Privatleben auf dem Bauernhof, ist die Entscheidung für einen bestimmten Wirtschaftsweig nicht nur eine bauliche. Persönliche Vorlieben und Wünsche, der eigene Charakter spielen neben der beruflichen Qualifikation eine entscheidende Rolle, die es in die Planung einzubeziehen gilt. Es ist hier nicht nur zu prüfen, was auf meinem Hof möglich ist, sondern auch, was ich als Betreiber einbringen kann, über welche Ressourcen ich verfüge, welche Ziele ich verfolge. Was möchte ich hineinstecken und was erwarte ich hausauszubekommen. Welche Qualifikationen und Neigungen kann ich in die Produktion einbringen?

Oft sehen wir gar nicht mehr, was wir alles können, und übersehen Fähigkeiten, die sich in die Produktion einbauen lassen. Je mehr wir von uns einbringen, desto eher entspricht das Arbeitsleben unserer Persönlichkeit. Um Qualifikationen zu erfassen, ist es meist sinnvoll, einenLebenslauf vorzubereiten. Dabei ist vor allem der berufliche Werdegang von Relevanz (schulische Bildung, Weiterbildung, Spezialisierung,…).
Aber auch Kurse, Vorträge, Seminare aus anderen Wissensgebieten sind zu berücksichtigen. Wenn zusätzlich andere Personen (Familienmitglieder, Außenstehende,…) an der Produktion teilnehmen, sollten auch deren Lebensläufe festgehalten werden.

Welche Art der Produktion möchte ich wählen?
Vorrangig muss eine klare Zieldefinition für die Entwicklung des Betriebes gefasst werden. Anhand dieser Wunschvorstellung kann geprüft werden, ob persönliche, zeitliche und räumliche Kapazitäten ausreichen bzw. an welchen Stellen Handlungs- und Planungsbedarf besteht.

Welchen Produktionsumfang und welchen Zeitaufwandkann ich mir vorstellen?
Wenn die Art oder der Umfang der Produktion geändert werden sollen, müssen neue Organisationsstrukturen für die Bewältigung der Gesamtarbeit gefunden werden. Die gewissenhafte Erarbeitung von Wochenplänen für alle im Betrieb Tätigen ist die Basis dafür, dass jeder nach seinem Leistungsvermögen und seinen Fähigkeiten eingesetzt wird und trotzdem Freiräume bleiben.

Wie sieht das Idealbild dieser Produktion aus?
Hier stellt sich grundsätzlich die Frage der baulichen Dimension: Was kann mein Hof wirklich leisten? Wie viel Platz braucht man für die Produktion? Sind die zur Verfügung stehenden Flächen ausreichend? Die folgendenTabellen sollen helfen, den für eine bestimmte Produktion benötigten Flächenbedarf überschlagsmäßig zu ermitteln.

Erwerbskombination

Fragestellung: Wenn die gesamte Fläche zur produktiven Nutzung für je eine der unten angeführten Nutzungen verwendet wird, für wie viele Menschen ist Platz? (Urlaub am Bauernhof, Direktvermarktung, Mostschank, Dienstleistungen, … )
Mit der Entscheidung zu einer Erwerbskombination gehen viele Veränderungen am landwirtschaftlichen Betrieb einher – räumliche Strukturen, Arbeitsorganisation, rechtliche und steuerrechtliche Zuordnung müssen neu definiert werden. Aus einem bisher privaten Lebensraum kann ein halb-öffentlicher Bereich mit regem Treiben werden. Die Abgrenzung zum Wohnbereich der Familie und zu den landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen, sowie die Übergangsbereiche sollen so klar geregelt sein, dass sich keine Behinderungen und Beeinträchtigungen ergeben. Auch bei guter Gestaltung sind allerdings nicht alle Erwerbsarten miteinander kombinierbar. Geruchs-, lärm- oder staubintensive Produktionssparten schließen Angebote mit Erholungscharakter aus.
Ein Qualitätsfaktor für Erwerbskombinationen wie Urlaub am Bauernhof, Mostschänken oder Vermietungen ist das ausreichende Raumangebot für Zusatzleistungen. Außenräume zum Erholen, Seminarräume mit entsprechender Ausstattung, Gemeinschaftsräume, Fitnessanlagen oder auch nur genügend Parkplätze – für den Kunden sind das die Auswahlkriterien. Je nach Umfang der Erwerbskombination verändern sich die rechtlichen Positionen des landwirtschaftlichen Betriebes. Auch bei kleineren Angebotsformen soll von Anfang an die Möglichkeit zum Übertritt in eine gewerbliche Variante mitgedacht werden.

Mostschank

Mostschänken sollen mit Gasthäusern und Restaurants nicht konkurrieren, sondern in Gestaltung, Angebot und Umgang mit den Gästen eine klare und einfache bäuerliche Identität bewahren.


Direktvermarktung

Arbeitsablaufplanung und Hygienerichtlinien bestimmen das Raumkonzept bei der Direktvermarktung. Je besser die Räume der Produktion angepasst sind, desto sicherer und schneller kann gleichbleibende Qualität erzeugt werden. Die Entscheidung des Betriebes für Verarbeitungsgrad und Produktmix, für die Verarbeitungsmenge und für die Art des Vertriebes, gestaltet die Produktion und den Raumbedarf so individuell, dass keine allgemein gültigen Flächenangaben formulierbar sind.

Urlaub am Bauernhof

Wenn bei der Vermietung von Ferienwohnungen oder Komfortzimmern nicht ausreichend Platz für Nebenräume berücksichtigt wird, kommt es erfahrungsgemäß zu einer starken Vermischung zwischen Privatbereich der Vermieter und Aufenthaltsbereich der Gäste.


Vermietung Büro

Büroeinheiten unterliegen dem ständigem Wandel. Die Anzahl der Arbeitsplätze schwankt ebenso wie die technische Ausstattung. Flexible Ausbausysteme erleichtern die rasche Anpassung.


Urproduktion

Fragestellung: Wie viel Platz brauche ich, um mit tierischer Urproduktion im Vollerwerb ein durchschnittliches Einkommen zu erwirtschaften?
Der erste Schritt für die Erstellung eines Betriebskonzeptes muss grundsätzlich die Analyse der Ausgangssituation sein, die Familie, Betrieb und Markt umfasst. Individuelle Faktoren wie Neigungen, Fähigkeiten und Qualifikationen der Familienmitglieder sind die inneren Triebfedern für die Bewältigung künftiger Herausforderungen. Die Zielvorstellungen für Baumaßnahmen in der Urproduktion sollen dabei folgende Punktebeinhalten:
  • Verbesserung der Arbeitswirtschaft
  • Kostengünstige Stallbaulösungen
  • Betriebswirtschaftlich sinnvolle Mechanisierung der Außen- und Innenwirtschaft


Die Betriebsgröße allein ist keine Garantie für ausreichendes Einkommen. Erst sehr gute Produktionstechnik, geringe Fixkostenbelastung durch günstigen Stallbau und geringe Maschinenkosten stellen ein entsprechendes Arbeitseinkommen sicher. Jeder Betrieb muss seine Entwicklungsfähigkeit realistisch prüfen, bevor er Investitionen setzt.
Die folgenden Darstellungen (Seite 68 ff.) stellen einen statistischen Wert in Bezug auf Fläche und Einkommen dar. Sie lassen keine unmittelbare Ableitung auf die individuelle Situation zu, und dienen nur dazu, in einer ersten Abklärung emotional festgelegte Vorstellungen zu überprüfen bzw. diese Vorstellungen rational einzuordnen.


Milchviehhaltung

Der statistische Wert in der Milchviehhaltung bezieht sich auf Stallfläche, Melkstand, Futterlagerung und Jungviehaufzucht.

Abbildung: Platzbedarf Urproduktion Milcherzeugung; Milchviehstall mit 70 Milchkühen, ca. 975m²

Rindermast

Die Rindermast erfordert keine aufwendigen Funktionsabläufe. Ein höherer Haltungsstandard kann durch Verringerung der Investitionskosten (Außenklimastall) ohne Einbußen im Arbeitsaufwand und Ertrag erzielt werden.


Abbildung: Platzbedarf Urproduktion Rindfleischerzeugung; Rindermaststall mit 200 Mastrindern, ca. 805 m²

Schweinezucht

Die Ferkelproduktion ist auf einen Mittelwert berechnet worden, der sich bei verschiedenen Haltungssystemen (vor allem bei Bio-Haltung) und Produktionsrhythmen wesentlich ändern kann.


Abbildung: Platzbedarf Urproduktion Ferkelerzeugung; Zuschtschweinestall mit 120 Zuchtsauen, ca. 845 m²

Schweinemast

In der Schweinemast, mit ihren standardisierten Haltungssystemen, kann auch ein höherer Haltungsstandard unter Einbeziehung kostengünstiger, innovativer Baulösungen ohne Einbußen im Arbeitsaufwand und Ertrag erzielt werden.

Tipp: um eine Prüfung der vorhandenen Ressourcen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Finanzrechnung, Baubestand zu erstellen, können vor den weiterenSchritten folgende Beratungen der Landwirtschaftskammer in Anspruch genommen werden:
  • Betriebswirtschaftsberatung
  • Bauberatung
  • Produktionsberatung

Abbildung: Platzbedarf Urproduktion Schweinemast; Mastschweinestall mit 980 Schweine, ca. 864 m²


Mag. Vitus Lenz
Baureferat Landwirtschaftskammer OÖ.

Mag. Veronika Müller
Freischaffende Architektin, Linz