Numinose Orte: Heilige Orte und ihre geheime Botschaft

Überall begegnen wir Wegkreuzen, Marterl, Bildstöcken und Kapellen. Sie sind Zeugnisse für die jahrhundertealte christlicheTradition, dass Menschen seit dem Mittelalter Gnadenstätten außerhalb ihrer Kirche errichteten. Diese finden sich an allen Punkten des Lebens und Arbeitens der Gläubigen, in der Nähe der Häuser, im Wald, auf Bergkuppen, an Quellen, Flussübergängen, sowie an Straßen- und Wegkreuzungen. Die Christen früherer Zeiten brauchten die jenseitige Hilfe überall, nicht nur innerhalb des geweihten Kirchenraumes sondern in ihrem Alltag. Der Volkskundler nennt solche Orte Kleindenkmale oder numinose Orte („numen“, lat., „göttliches Wesen“), an denen die Menschen dem göttlichen Wesen begegnen können oder an denen man das Walten Gottes in auffallender Weise spürt. Es gehört zu den „Archetypen“, dem Ursprünglichen der kulturellen Entwicklung, dass die Menschen unterschiedlicher Zeiten immer wieder an ähnlichen Stellen einen besonderen emotionalen Zugang zu Gott finden. Im Formenschatz der Wegkreuze steckt uralte, fast vergessene Symbolik. An den Balkenenden erkennt man Kreuze, Kreisscheiben, Dreipass, Kleeblatt und Herzformen, diese sind die alten Freuden- und Glückssymbole. Rautenförmige Kreuzenden deuten auf die Heilige Lanze hin oder auf das uralte Fruchtbarkeitszeichen. Betonsäulen mit Nischen entstanden um 1900, als besonders die Marien- und Herz-Jesu-Verehrung einen Höhepunkt erlebte. Die bauliche Ausführung geschah meist durch örtliche Maurer, die sich damit einen kleinen Zuverdienst hatten.

Religiöse Bilder, vereinzelt auch Statuen, über dem Hauseingang legen Zeugnis für die katholische Gesinnung der Bewohner ab. Sie stehen symbolisch für die ständige Bitte um den göttlichen Schutz, der über den Hof, die Dienstboten und die Bauersleute ausgebreitet sein soll. Ständig waren die Bauernhöfe, die Felder und Menschen den Unbilden der Natur und Gefahren ausgeliefert, die mit den Segensbildern abgewendet werden sollen. Beliebt war bei den Vierkanthöfen die Darstellung der „Krönung Mariens“ und der „Gnadenstuhl“ mit der Heiligen Dreifaltigkeit, fast immer begleitet von den Bauernheiligen Florian und Leonhard. Es finden sich aber auch verschiedene Einzelbilder von Volksheiligen wie Georg, Martin und Madonnendarstellungen. Religiöse Spruchbänder über dem Hauseingang legen Zeugnis für tiefe Volksfrömmigkeitab: „Den Ausgang und den Eingang mein, lass dir o Gott befohlen sein“ oder „In Gottes Hände ich befehl, mein Hab und Gut, mein Leib und Seel´“.
Auf den bekannten Wallfahrtswegen nach Maria Adlwang oder Mariazell stehen Wegkreuze, die häufig das Gnadenbild des Wallfahrtsortes trugen. Besonders in den Monaten Mai und Oktober zogen große Scharen von Gläubigen über die Wege und Straßen, um ihre Anliegen und Sorgen bei den Gnadenbildern darzubringen.